Warum Curved-Monitore falsch sind: FOV erklärt

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26.6.2019

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4K, HDR, 144 Hz und Ad­ap­ti­ve-Sync – die An­sprü­che an ei­nen Mo­ni­tor sind in den letz­ten Jah­ren ziem­lich ge­stie­gen. Ein wei­te­res Fea­ture wä­re ein »cur­ved« Dis­play. Ga­mer ste­hen doch auf gro­ße Kur­ven*, war­um al­so nicht? Ich möch­te dies als Auf­hän­ger ver­wen­den, um euch die Be­deu­tung von Field of View und Per­spek­ti­ve in Spie­len zu er­läu­tern. So wird man er­ken­nen, dass Cur­ved-Mo­ni­to­re für Ga­mes ma­the­ma­tisch ge­se­hen falsch sind, je­doch eher die Spie­le­ent­wick­ler da­für ge­rügt ge­hö­ren.

# Was genau ist FOV?

Selbst­ver­ständ­lich dürf­te fast je­der PC-Spie­ler schon ein­mal et­was vom »Field of View« (FOV), al­so dem »Sicht­feld« ge­hört ha­ben. Ver­mut­lich ge­hen die meis­ten von euch bei ei­nem neu­en First-Per­son-Spiel di­rekt in die Op­tio­nen und än­dern die ent­spre­chen­de Ein­stel­lung, be­zie­hungs­wei­se är­gern sich, falls die­se fehlt.

Al­len an­de­ren sei ge­sagt, FOV drückt ein­fach aus, wie viel Grad der Um­ge­bung an­ge­zeigt wird. Ent­we­der ist ein Sli­der oh­ne Wer­te an­ge­ge­ben oder es lässt sich ei­ne ge­wis­se Grad­zahl für das ho­ri­zon­ta­le oder ver­ti­ka­le Sicht­feld ein­stel­len. An­hand des Sei­ten­ver­hält­nis­ses eu­res Mo­ni­tors er­gibt sich dann der Wert für das je­weils an­de­re. Teil­wei­se kann es je­doch vor­kom­men, dass die Op­tio­nen ei­nen Wert an­zei­gen, der ei­ne 16-zu-9-Auf­lö­sung (oder 4:3 bei äl­te­ren En­gi­nes) ver­mu­tet und dann bei brei­te­ren For­ma­ten nicht mehr stimmt. Seid den An­ga­ben lie­ber et­was skep­tisch ge­gen­über.

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Hier einmal als Beispiel Dear Esther mit 60° \ 90° \ 120° \ 150° FOV.
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Mit ei­nem Wert um die 90° dürf­ten die meis­ten PC-Spie­ler zu­frie­den sein. Bei 120 oder gar 150 Grad wür­de der ein oder an­de­re an­mer­ken, wie häss­lich ver­zerrt die Rän­der sind. So sieht der Him­mel links, be­zie­hungs­wei­se das Mau­er­werk rechts ex­trem ge­streckt aus. Das ist al­ler­dings nur eu­re Mei­nung und bloß ei­ne Fra­ge der Per­spek­ti­ve!

# Warum sind diese Verzerrungen… nicht schlimm?

Be­gin­nen wir zur Be­ant­wor­tung ein­fach mit ei­nem klei­nen Ex­pe­ri­ment. Un­ten fin­det sich ein Bild aus Hell­bla­de, in dem Sen­u­as rech­ter Un­ter­schen­kel stark in die Län­ge ge­zo­gen wor­den zu schei­nen ver­mag. Wenn ihr mit der Maus über das Bild fahrt, soll­te es sich et­was ro­tie­ren und ihr soll­tet euch da­bei nur auf ihr Bein fo­kus­sie­ren.

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Wird schräg auf ihren Schenkel geblickt, erscheinen dessen Proportionen wieder normal. (Dafür ist die Bildmitte gestaucht.)

Was wie Ma­gie aus­sieht, lässt sich leicht er­klä­ren, wenn man weiß, wie 3D-Com­pu­ter­spie­le den sicht­ba­ren Bild­aus­schnitt be­rech­nen. Ob­jek­te wie Fels­bro­cken be­stehen aus »Po­ly­go­nen« (Viel­ecke); an der GPU kom­men die­se letzt­lich im­mer als Drei­ecke an. Ver­ein­facht ge­sagt wird je­des Po­ly­gon auf die ent­spre­chen­den Pi­xel der vir­tu­el­len, zwei­di­men­sio­na­len Bild­schirm­lein­wand ab­ge­bil­det. Die ex­ak­te Po­si­ti­on hängt vom Ort des vir­tu­el­len Au­ges ab, wel­ches zu­sam­men mit der Lein­wand den Sicht­ke­gel – be­zie­hungs­wei­se eher die Sicht­py­ra­mi­de – bil­det. Aus­ge­hend vom Au­ge nimmt der vir­tu­el­le Schirm auch ge­nau das de­fi­nier­te FOV ein.

Die Polygone im dreidimensionalen Raum werden auf die flache Leinwand projiziert.

Ist jetzt ein Ob­jekt weit au­ßen in der Sze­ne, liegt es in ei­ner deut­lich schrä­ge­ren Sicht­li­nie und im Ver­gleich zu zen­tra­len Drei­ecken wächst es zu ei­ner or­dent­li­chen Grö­ße her­an. Al­ler­dings han­delt es sich hier nur um ei­ne per­spek­ti­vi­sche Täu­schung, wenn man die Lein­wand le­dig­lich für sich al­lei­ne nimmt.

Da­mit mei­ne ich, dass es aus Sicht des vir­tu­el­len Au­ges zu kei­ner­lei Ver­zer­rung kommt, da die Bild­schirm­rän­der ja gleich­zei­tig wei­ter vom Blick­punkt ent­fernt sind und eben­falls schrä­ger auf sie ge­blickt wird. So­mit er­scheint ins­ge­samt al­les wie­der nor­mal klein. Im Schau­bild ge­nü­gen wir uns mit 2D.

Am Auge nehmen beide Kreise das identische Winkelmaß ein, auch wenn die Leinwand die Objekte unterschiedlich dimensioniert darstellt.

Die­se Per­spek­ti­ve nen­nen wir ge­rad­li­nig. Da­mit sie Sinn er­gibt, müs­sen eu­re ech­ten Au­gen als Vor­aus­set­zung mög­lichst mit der vir­tu­el­len Po­si­ti­on über­ein­stim­men. Da­zu braucht ihr euch nicht in die Ma­trix ein­klin­ken, son­dern so na­he vor den Mo­ni­tor setz­ten, bis je­ner ge­nau das Sicht­feld in der ech­ten Welt ein­nimmt, wie ihr es im Spiel ein­ge­stellt habt. Der ers­te Schritt zu ei­ner CS:GO-Pro­fi­kar­rie­re wä­re da­mit eben­falls ge­tä­tigt.

# Und wie sieht es mit einem Curved-Monitor aus?

Man kann jetzt schon ah­nen, dass wenn das Bild bei zu gro­ßer Ent­fer­nung zum Bild­schirm ver­zerrt, das­sel­be bei krum­men Mo­ni­to­ren (trotz pas­sen­der Dis­tanz) pas­sie­ren dürf­te. Und dem ist frei­lich so. Wenn die vir­tu­el­le Lein­wand für ei­nen fla­chen Bild­schirm flach sein muss, müss­te sie für ei­nen ge­bo­ge­nen ge­nau­so ge­bo­gen sein.

Diesmal wurde die Leinwand gekrümmt, deckt aber weiterhin das gleiche FOV ab. Die Objekte sind nun auf dem Schirm gleich groß repräsentiert.

»Na toll, al­so schon wie­der auf die­se Click­bait-Über­schrif­ten rein­ge­fal­len!?« – Be­vor ihr die­sen Ge­dan­ken kre­iert, wer­fe ich ein, dass für ge­wöhn­li­che Com­pu­ter­spie­le solch ei­ne Lein­wand nicht mög­lich ist. Wie vor­hin er­klärt, ar­bei­tet man mit Po­ly­go­nen. Ei­ner der Grün­de da­für ist, dass es ma­the­ma­tisch sim­pel ist, aus den Eck­punk­ten ein Drei­eck zu er­zeu­gen und auf je­den Punkt der Ober­flä­che zu na­vi­gie­ren (zum Bei­spiel für die Tex­tu­rie­rung).

Pro­ji­ziert man nun al­ler­dings auf ei­ne ge­krümm­te Ober­flä­che, wöl­ben sich die Kan­ten ei­nes Drei­ecks im Zwei­di­men­sio­na­len, was ei­ne Qual wä­re, wenn dies ma­the­ma­tisch be­schrie­ben wer­den müss­te. Wir müs­sen uns al­so mit ei­ner fla­chen Lein­wand und ei­nem po­ten­ti­ell ver­zo­ge­nen Bild zu­frie­den­ge­ben. Bei ei­nem Cur­ved-Dis­play könn­te man sich zur Kor­rek­tur je­doch wie­der ent­spre­chend nä­her da­vor­setz­ten.

# Sind Verzerrungen nicht egal?

Man kann an­brin­gen, dass es doch weit­aus Wich­ti­ge­res für die Com­pu­ter­gra­fik gibt. Au­ßer­dem ver­wen­det man beim Film oder der Fo­to­gra­fie di­ver­se Lin­sen, die ähn­li­che Ef­fek­te wie un­se­re ver­schie­de­nen vir­tu­el­len Schir­me er­zeu­gen, und für un­ter­schied­li­che Stim­mun­gen oder op­tisch vor­ge­täusch­te Grö­ßen­ver­hält­nis­se ein­ge­setzt wer­den.

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Filme können gradlinige Weitwinkelobjektive einsetzten, um Gänge länger wirken zu lassen.

Wie hin­ge­gen schon häu­fi­ger er­wähnt, soll­te man nicht blind al­les Vi­su­el­le aus Fil­men nach­ma­chen, auch wenn vie­le Trip­le-A-Ti­tel mit ih­ren zahl­rei­chen Zwi­schen­se­quen­zen so wir­ken. Be­wegt man sich in­des­sen ma­nu­ell durch die 3D-Welt ei­nes Spiels, hilft ei­nem ein kor­rek­tes Sicht­feld bei der Ein­schät­zung von Di­stan­zen und Ge­schwin­dig­kei­ten. Bei si­mu­la­ti­ons­las­ti­gen Renn­spie­len wie DiRT Ral­ly fin­de ich dies sehr wich­tig, auch wenn man bei ei­nem Over­watch wohl eher ein mög­lichst gro­ßes FOV be­vor­zugt.

Be­wegt sich der Spie­ler­cha­rak­ter, ent­steht an den ver­zerr­ten Rän­dern – al­so we­gen fal­scher Dis­tanz zum Mo­ni­tor – nun zu­sätz­lich das Pro­blem, dass Ob­jek­te dort nur so vor­bei­hu­schen. Die meis­ten Per­so­nen stört das kaum, je nach Emp­find­lich­keit kann das al­ler­dings Mo­ti­on Sick­ness aus­lö­sen.

Üb­ri­gens ist die ge­rad­li­ni­ge Per­spek­ti­ve eben­falls ein Pro­blem für Vir­tu­al Rea­li­ty. We­gen den Lin­sen in VR-Bril­len kommt es näm­lich trotz über­ein­stim­men­dem FOV zu sol­chen Ver­zer­run­gen, wes­halb man ger­ne ei­ne kur­ven­för­mi­ge Per­spek­ti­ve ha­ben möch­te, die ei­ner ho­ri­zon­tal und ver­ti­kal ge­bo­ge­nen Lein­wand ent­spricht. Klickt auf die fol­gen­den Bil­der zum Um­schal­ten der bei­den Per­spek­ti­ven – je­weils mit iden­ti­schem In­ga­me-FOV.

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Auf einem flachen, normalgroßen Monitor werden beispielsweise die mittelalterlichen Straßenlaternen links oben gebogen, dafür sind die Größenverhältnisse korrekt (vergleiche die Speere mittig mit rechts).
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# Halt! … War gebogen nicht unmöglich?

Als wir über die ge­kurv­te Lein­wand re­de­ten, sag­te ich nur, dass dies nicht di­rekt bei der Ras­te­ri­sa­ti­on mög­lich sei. Bei Ray­tra­cing könn­te man hin­ge­gen die Strah­len durch ei­ne Lin­se schi­cken, um das­sel­be zu er­rei­chen. Wenn man die Per­for­mance von Qua­ke II RTX ein­mal ge­nau­er ana­ly­siert, dürf­te ver­nünf­ti­ges Ray­tra­cing in mo­der­nen Ga­mes al­ler­dings noch ein gan­zes Weil­chen brau­chen.

Prak­ti­ka­bel wä­re der­weil, Frames ganz nor­mal zu ren­dern und dann le­dig­lich das er­zeug­te Bild zu bie­gen, bis es kur­ven­för­mig aus­sieht. Beim Screen­shot oben hab ich das ein­fach mit GIMP er­le­digt, aber na­tür­lich kann man dies eben­so in ei­nem in­ga­me Post-Pro­ces­sing-Schritt durch­füh­ren. Dank ei­nes Shaders für Re­Shade ist es so­gar in fast je­dem Ti­tel mög­lich.

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Die Entfernung der einbeinigen Senua lässt sich nun besser einschätzen. (Diesmal wurden die überstehenden Wölbungen abgeschnitten.)
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Wenn euch die Ver­zer­run­gen doch stär­ker stö­ren oder ihr Pro­ble­me mit Übel­keit oder Schwin­del beim Spie­len habt, emp­feh­le ich euch das aus­zu­pro­bie­ren. Die Stär­ke des Ef­fekts soll­tet ihr nach Ge­fühl ein­stel­len und euch et­was Zeit zum dar­an Ge­wöh­nen ge­ben. Es ist auch mög­lich bei­de Ach­sen un­ter­schied­lich stark zu bie­gen, da ja ein Cur­ved-Mo­ni­tor nur in der Ho­ri­zon­ta­len ge­krümmt ist. Die ent­spre­chen­de Per­s­pek­ti­ve nennt man zy­lin­drisch und ist bei­spiels­wei­se in der Un­re­al En­gi­ne ein­fach zu­schalt­bar. Bei Fo­to­gra­fien von Ar­chi­tek­tur wird sie häu­fig be­vor­zugt, weil senk­rech­te Li­ni­en nicht ge­bo­gen wer­den (sie­he die »F«-Hie­ro­gly­phen im Screen­shot).

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In je­dem Fall ha­ben die Me­tho­den die auf Nach­be­ar­bei­tung setz­ten al­le­samt das Pro­blem, dass Un­schär­fe in der Bild­mit­te ent­steht, weil ein­zig mit den vor­han­de­nen Pi­xeln ge­ar­bei­tet wer­den kann. Hier hilft nur ei­ne hö­he­re Auf­lö­sung und spä­te­res he­run­ter­ska­lie­ren.

Ge­ne­rell ist ein fla­cher Mo­ni­tor aber auch sehr un­prak­tisch, wenn er ei­nen gro­ßen Teil des Sicht­feld ein­neh­men soll. Sa­gen wir ein­fach, ihr ver­län­gert eu­ren ak­tu­el­len Mo­ni­tor in die Brei­te. Für je­den Zen­ti­me­ter den ihr dran­packt, wird der Ge­winn an FOV ja im­mer ge­rin­ger, da sich die Rän­der wei­ter von den Au­gen ent­fer­nen und die dor­ti­gen Pi­xel im Ver­hält­nis schrump­fen. 180 Grad sind gar un­mög­lich zu er­rei­chen.

In ei­nem Spiel könn­te die­se Ein­schrän­kung aber um­gan­gen wer­den, in­dem man meh­re­re vir­tu­el­le Lein­wän­de in ver­schie­de­ne Rich­tun­gen zei­gen lässt, je­weils mit ei­nem klei­nen FOV. Die­se müss­ten per­spek­ti­visch nur leicht kor­ri­giert und zu ei­nem gro­ßen Pan­ora­ma zu­sam­men­ge­setzt wer­den. Im Fo­to­mo­dus ei­ni­ger we­ni­ger Ti­tel wird dies so­gar un­ter­stützt.

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360-Grad-Bilder lassen sich aus mehreren Blickwinkeln zusammensetzten. Hier mit fünf einzeln geknipsten Screenshot aus The Vanishing of Ethan Carter.

# Wie schlimm ist Curved jetzt wirklich?

Nur weil Cur­ved-Dis­plays in der Theo­rie nicht zur Gra­fik­aus­ga­be pas­sen, ist mein Bei­trag nicht da­zu da, um des­sen Be­sit­zer zu är­gern. Ob­wohl es kein be­kann­tes Spiel gibt das »für Cur­ved op­ti­miert« ist, be­deu­tet das nicht sol­che Mo­ni­to­re wä­ren un­nö­tig. Im Ge­gen­teil, die Vor­tei­le der Krüm­mung spre­chen für sich.

Gleich­zei­tig ist die Bie­gung noch re­la­tiv ent­spannt und die meis­ten Mo­del­le (»1800R«) lie­gen bei ei­nem Ab­stand von 1,8 Me­tern auf ei­ner per­fek­ten Kreis­bahn. Nor­ma­ler­wei­se sitzt man ein gu­tes Stück nä­her vor dem Kas­ten, der Ef­fekt wird al­so wie­der­um schwä­cher. Aber wer weiß, ob es stär­ke­re Krüm­mun­gen gä­be, wenn ei­ne kur­ven­för­mi­ge, be­zie­hungs­wei­se zy­lin­dri­sche Per­spek­ti­ve in Spie­len bes­ser un­ter­stützt wä­re. Wer emp­find­lich für Mo­ti­on Sick­ness ist, soll­te trotz­dem lie­ber erst Pro­be kot­zen glot­zen.