Mikrofon-Tuning: Störgeräusche latenzarm entfernen

5 min

11.3.2021

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Sei es beim Voice-Chat in Mul­ti­play­er­spie­len oder Vi­deo­kon­fe­ren­zen, ner­vi­ge Mi­kro­fon­pro­ble­me wie ein hör­ba­res Rau­schen, pe­ne­tran­tes Tas­ta­tur­ge­häm­mer oder zu lei­ser Ton pla­gen vie­le VoIP-Sit­zun­gen. Da­bei lässt sich das in Win­dows al­les mit ein­fa­chen Mit­teln auf prak­tisch je­der Hard­ware gra­tis und na­he­zu la­tenz­frei be­he­ben. Selbst wenn ihr ak­tu­ell mit eu­rem Mi­kro zu­frie­den seid, dürf­te euch das Er­geb­nis po­si­tiv über­ra­schen. Habt ihr ge­räusch­be­läs­ti­gen­de Freun­de, dann soll­tet ihr zu­min­dest eu­re Oh­ren und Ner­ven scho­nen und ih­nen die­sen Gui­de vor den Mund hal­ten. Wie sich al­les Schritt für Schritt um­setz­ten lässt, er­klä­re ich euch in meh­re­ren Ab­schnit­ten. Nach der klei­nen Ba­sis­ein­rich­tung kön­nen al­le rest­li­chen Punk­te nach den ei­ge­nen Vor­zü­gen kom­bi­niert wer­den.

Übersicht

# Vorarbeit: Ausrichtung & Abhörung

Per Soft­ware lässt sich vie­les be­he­ben, den­noch emp­fiehlt es sich, Pro­ble­me durch ei­ne fal­sche Mi­kro­fon­po­si­tio­nie­rung zu ver­mei­den. Bei den meis­ten Ge­rä­ten soll­te man nie di­rekt ins Mem­bran spre­chen. Statt­des­sen zielt ihr mit eu­rem Mund­werk leicht da­ne­ben, um Pop- und Atem­ge­räu­sche mög­lichst zu um­ge­hen. Et­was Ab­stand soll­te oh­ne­hin ein­ge­hal­ten wer­den, die­ser muss aber be­son­ders zu an­de­ren un­ge­woll­ten Ton­quel­len wie der Tas­ta­tur be­ach­tet wer­den. Op­ti­ma­ler­wei­se herrscht ei­ne Di­stanz von et­wa 5 bis 20 Zen­ti­me­ter zwi­schen Lip­pen und Mi­kro.

Am bes­ten hört ihr euch bei der Ein­rich­tung ein­fach selbst ab. Drückt die Tas­ten Win + R und führt dar­über mmsys.cpl aus. Im Sound­pa­nel wech­selt ihr zum Auf­nah­me-Tab und öff­net die Ei­gen­schaf­ten eu­res Ge­räts. Der Rei­ter mit dem Na­men Ab­hö­ren bie­tet die ge­wünsch­te Funk­ti­on. Zu­dem lässt sich in ei­nem wei­te­ren Tab der Pe­gel re­gu­lie­ren. Re­det in ver­schie­de­nen In­ten­si­tä­ten und passt den Wert so an, dass ihr euch mit an­ge­neh­mer Laut­stär­ke hört. Bei Über­steu­ern muss ge­ge­be­nen­falls der Mi­kro­fon­ab­stand er­höht wer­den oder ihr zü­gelt lau­te Sie­ges­ju­bel. Über ei­ne zu lei­se Ton­auf­nah­me oder zu star­kes Rau­schen müsst ihr euch da­bei mo­men­tan nicht sor­gen.

# Basis: Equalizer APO

Die Grund­la­ge stellt ei­ne Open­source-Free­ware na­mens Equa­li­zer APO dar. Mit des­sen Kon­fi­gu­ra­tor lässt sich der Trei­ber von Au­dio­ge­rä­ten um ein höchst an­pass­ba­res Au­dio Pro­ces­sing Ob­ject (APO) er­wei­tern. Da­mit in­te­griert es sich mög­lichst ef­fi­zi­ent in die Au­dio­ar­chi­tek­tur von Win­dows. Das be­deu­tet es muss kein ex­tra Pro­gramm im Hin­ter­grund lau­fen, ent­spre­chend wird bei der Ver­wen­dung des Mi­kro­fons kaum zu­sätz­li­che Re­chen­leis­tung oder Ar­beits­spei­cher ver­wen­det. Im Ge­gen­satz zu Tools wie Voice­Mee­ter, die neue vir­tu­el­le Ge­rä­te er­stel­len, müs­sen dar­über hin­aus kei­ne la­tenz­ver­ur­sa­chen­den Au­dio­puf­fer hin- und her­ko­piert wer­den.

  1. Equalizer APO 64-Bit-Version herunterladen (alternativ: 32-Bit-Version) und installieren.
  2. Am Installationsende öffnet sich der Konfigurator. Wiedergabegeräte wollen wir in diesem Guide nicht pimpen, hier sollte also kein Haken gesetzt werden. Stattdessen wird zum Tab der Aufnahmegeräte gewechselt und euer gewünschtes Mikrofon ausgewählt.
  3. Zum Abschluss den Rechner neustarten.
  4. Im Config-Ordner (standardmäßig %ProgramFiles%\EqualizerAPO\config\) config.txt mit einem Texteditor öffnen und den Inhalt löschen.

Diese Kon­fi­gu­ra­tions­da­tei steu­ert wel­che Si­gnal­ef­fek­te an­ge­wandt wer­den. Der ur­sprüng­li­che In­halt ist nur ein ge­ne­ri­sches Bei­spiel­set­up, wes­halb man die­sen di­rekt ent­fer­nen soll­te, um ei­nen neu­tra­len Aus­gangs­punkt zu er­rei­chen. Ab hier lässt sich jetzt al­les wün­schens­wer­te leicht ein­stel­len, lasst die Da­tei des­halb vor­erst ge­öff­net.

# Verstärkung: Lautstärke erhöhen

War eu­er Mi­kro­fon bis­her im­mer zu lei­se, lässt sich das nun mit ei­nem Be­fehl be­he­ben. Schreibt ihr Preamp: 6 dB in die Text­da­tei, wird eu­re Stim­me et­wa dop­pelt so laut zu hö­ren sein. Mit ne­ga­ti­ven Wer­ten ver­rin­gert ihr die Laut­stär­ke.

# Wundermittel: RNNoise gegen Rauschen & Tastenklicks

Die meis­te Ver­ar­bei­tungs­ar­bei­tet er­folgt durch ein re­kur­ren­tes neu­ro­na­les Netz, das sich auf die Rausch­un­ter­drü­ckung fo­kus­siert. Wer sich für die De­tails der ein­zel­nen Bau­stei­ne von RNNoise in­ter­es­siert, fin­det ei­nen kom­pak­ten Ar­ti­kel mitsamt De­mos von Xiph.Org. Für die Nut­zung als APO setz­ten wir auf ei­ne VST-Ver­si­on des Tools.

  1. Den aktuellsten Releasebuild herunterladen und dabei wieder auf 32 oder 64 Bit achten.
  2. Im Ordner bin\vst des Archivs die dortige DLL in den VSTPlugins-Ordner kopieren (standardmäßig %ProgramFiles%\EqualizerAPO\VSTPlugins\).
  3. Erneut config.txt bearbeiten und diesmal VSTPlugin: Library librnnoise_vst.dll in einer neuen Zeile abspeichern.

Wur­det ihr bis­her von Rausch­ge­räu­schen ge­plagt, wird ab nun Ru­he herr­schen und eu­re Stim­me kla­rer über­tra­gen. So­gar Tas­ta­tur­tipp­ser fil­tert RNNoise schön her­aus. Ver­mut­lich ist es nicht ganz so gründ­lich wie RTX Voice, funk­tio­niert da­für oh­ne teu­re Gra­fik­kar­te, läuft mit ge­rin­ger La­tenz und be­ein­flusst nicht die Spie­le­per­for­mance.

# Hintergrund muten: ReaGate

Für Sprach­chats soll­te idea­ler­wei­se nicht durch­gän­gig ein Si­gnal über­tra­gen wer­den, son­dern nur wenn ge­re­det wird. Gu­te VoIP-Soft­ware bie­tet zu­min­dest ei­nen simp­len Reg­ler zum Fest­le­gen ei­ner Lärm­schwel­le. Für mehr Fein­jus­tie­rung oder wenn ihr das nicht in je­dem Pro­gramm ein­zeln ab­stim­men wollt, lohnt sich ein Au­dio-Gate. RNNoise bie­tet selbst schon ei­ne sehr zu­rück­hal­ten­de Stumm­schal­tung, lässt meist aber lau­te Mit­be­woh­ner oder Ar­beits­kol­le­gen durch. Hier­ge­gen kann man sich mit Rea­Gate be­hel­fen.

  1. Die VST-Sammlung ReaPlugs herunterladen und dabei wieder auf 32 oder 64 Bit achten.
  2. Den Installer als Archiv öffnen (alternativ einfach installieren) und die Datei reagate-standalone.dll in den VSTPlugins-Ordner kopieren (standardmäßig %ProgramFiles%\EqualizerAPO\VSTPlugins\).
  3. Erneut config.txt bearbeiten und diesmal VSTPlugin: Library reagate-standalone.dll in einer neuen Zeile abspeichern.
  4. Editor.exe im Hauptverzeichnis von Equalizer APO starten.
  5. In der Zeile von ReaGate das zugehörige Panel öffnen und die Lautstärkeschwelle mit dem großen Slider auf der linken Seite anpassen.

Für mehr An­pas­sung könnt ihr auch die wei­te­ren Vor­ein­stel­lun­gen ver­än­dern, da RNNoise je­doch deut­lich über­le­gen zu klas­si­scher Rausch­un­ter­drü­ckung ist, wird dies we­ni­ger nö­tig.

# Feintuning: Filter & mehrere Geräte

Wie der Na­me schon ver­rät, bie­tet Equa­li­zer APO um­fang­rei­che EQ-Mög­lich­kei­ten. Mit der Edi­tor-An­wen­dung lässt sich leicht her­um­spie­len, für Zu­griff auf al­le Be­feh­le emp­feh­le ich euch den Blick ins of­fi­zi­el­le Wi­ki. Be­son­ders die pa­ra­me­tri­schen Fil­ter eig­nen sich für den letz­ten Schliff. Mei­ne Tas­ta­tur ver­ur­sacht bei­spiels­wei­se un­an­ge­neh­mes Fie­pen in der Auf­nah­me, wenn das dün­ne Au­dio­ka­bel zu na­he kommt. Der Ton be­steht aus Si­nus­fre­quen­zen im Ab­stand von ei­nem Ki­lo­hertz, was sich leicht mit ein paar Notch- und ei­nem Tief­pass­fil­ter be­he­ben lässt. De­ak­ti­viert ihr die bei­den VST-DLLs tem­po­rär, seht ihr un­ten im Ana­ly­se­pa­nel des Edi­tors auch di­rekt den Ein­fluss eu­rer Fil­ter­ef­fek­te auf den Fre­quenz­be­reich.

Falls ihr Equa­li­zer APO im Kon­fi­gu­ra­tor an meh­re­re Ton­ge­rä­te ge­kop­pelt habt, läuft je­der Trei­ber selbst­ver­ständ­lich un­ab­hän­gig, die Be­feh­le wer­den den­noch al­le von config.txt aus­ge­le­sen. Da­mit Kopf­hö­rer kei­ne un­ge­woll­te Rausch­un­ter­drü­ckung er­hal­ten, kann die Text­da­tei mit den Be­feh­len De­vice oder Sta­ge un­ter­teilt wer­den. Packt ihr al­so Stage: capture an den An­fang des Do­ku­ments, wer­den die nach­fol­gen­den Ein­stel­lun­gen nur für Mi­kros an­ge­wandt.

In über 99% der Fäl­le müss­te eu­re Au­dio-Hard­ware, be­zie­hungs­wei­se der da­zu­ge­hö­ri­ge Trei­ber, kom­pa­ti­bel mit den Er­wei­te­run­gen durch Equa­li­zer APO sein. Bei Pro­ble­men könnt ihr die Trou­ble­shoo­ting-Schrit­te im Wi­ki be­fol­gen oder euch im dor­ti­gen Fo­rum um­schau­en. Und ver­gesst nicht, die Ab­hör­funk­ti­on von Win­dows zum Schluss wie­der zu de­ak­ti­vie­ren.